Paul-Gerhard Allee München

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Paul-Gerhard-Allee, München

Realisierungswettbewerb WA 7/8

Auftraggeber

Artec Wohnbau GmbH & Co. KG

Größe

GF 38.500m²

Fertigstellung

Leistungen

Realisierungswettbewerb

Die gestellte Entwurfsaufgabe zu den Baufeldern WA 7.1 und WA 7.2 und WA 8 lässt sich in zwei maßgebliche Kernthemen aufgliedern: die Bewältigung der Schallschutzanforderungen aus dem benachbarten Gewerbegebiet und die Grundrissgestaltung der Wohnungen in Abhängigkeit der Belichtung in den jeweiligen unregelmäßig geformten städtebaulichen Blockstrukturen.

Hierbei lässt sich die Situation in den beiden städtebaulichen Blockstrukturen der Baufelder WA 7.1 zu WA 7.2 nochmals in unterschiedliche Anforderung unterteilen, da sich die Schallschutz- und Belichtungsanforderungen im jeweiligen Block deutlich unterscheiden.

 

Fassaden-Lösungen in WA 7.1

Ausgehend von der Schalleinwirkung aus dem westlich vorgelagerten Gewerbegebiet sieht das Schallschutzgutachten für WA 7.1 auf der Hauptbelichtungsseite nach Westen eine von den Bewohnern nicht zu öffnende Schallschutzverglasung vor. Maßgeblich hierbei ist das Schutzziel „Gewerbe“, das heißt, es soll durch die Konstruktion und die Orientierung der Wohnungen sicher gestellt werden, daß keine  Beeinträchtigungen der zulässigen Werte für Emissionen aus dem Gewerbegebiet entstehen. Gleichzeitig wird von der Ausloberin ein großzügiges Angebot an Balkon-Loggien-Flächen erwartet.

Der vorliegende Entwurf sieht deshalb als Lösungsansatz eine vor die durchlaufenden Balkon-Loggien-Zone gesetzte zweite Schale als verglaste, ungedämmte Schallschutzkonstruktion vor. Zur Sicherung der für gesunde Wohnverhältnisse notwendigen natürlichen Belüftung sind in die zunächst von den Bewohnern nicht zu öffnende Schallschutzverglasung Lüftungselemente eingesetzt, welche eine dauerhafte, aber schallgedämmte natürliche Belüftung gewährleisten. Die Funktionsweise kann als „Schallfalle“ umschrieben werden: zwei nicht direkt gegenüberliegenden Öffnungen in einem geschoßhohen Korpus aus Paneel-Konstruktion können dauerhaft – auch über Nacht zur Nachtauskühlung – geöffnet werden. Da es sich bei dem einwirkenden Gewerbelärm in der Hauptsache um Anlagenlärm handelt, kann die Lärmeinwirkung durch die einfache wie wirkungsvolle Maßnahme von zwei unterschiedlich hoch liegenden Öffnungen eliminiert werden. Die Konstruktion der Schallschutzverglasung sieht weiterhin eine praxisgerechte Möglichkeit vor, die Fassadenflächen von der Innenseite aus zu reinigen: vier einzelne Verglasungselemente sind an vertikalen Drehachsen so montiert, daß sie zu Reinigungszwecken gedreht und geöffnet werden können.

Vor dem Hintergrund einer weit in die Zukunft gerichteten Auswirkung dieser Konstruktion scheint es auch im Hinblick auf die gelungene Reduzierung der Schallschutzbeeinträchtigungen im Baugebiet WA 7.2 als zielführend, die Konstruktion der Schallschutzfassade für die Zukunft in eine öffenbare Verglasung umwandeln zu können. Dies kann ohne Umbauten an der Fassade bereits heute durch Öffnungsbegrenzer bewerkstelligt werden, so daß sich die Fassade zur weiter funktionierenden Absturzsicherung in mehrere, bodentiefe 12 cm breite Öffnungen öffnen lässt.

Weiterhin bietet es sich an, diese Zone als thermische Pufferzone an eine Wärmerückgewinnungsanlage anzuschließen. So kann Wärme aus dem Zwischenraum abgeleitet und einer weiteren Verwendung zugeführt werden. Wird die Wärmerückgewinnungsanlage mit einer kontrollierten Wohnraumlüftung kombiniert, kann nach Untersuchungen des Fraunhofer-Instituts bei einem Pilotprojekt in Freiburg ein Drittel der Wärmeenergie des Gebäudes eingespart werden.

  

Fassaden-Lösungen in WA 7.2

Im Baugebiet WA 7.2 wurde die im Bebauungsplan analog zum Baugebiet WA 7.1 noch geforderte Schallschutzmaßnehme durch eine privatrechtliche Vereinbarung mit dem Grundstückseigentümer eliminiert. Durch die Einstufung der Gebietsklassifizierung als „MI“ Mischgebiet des heute vorhandenen Gewerbegebietes sind keine Schallschutzmaßnahmen mehr erforderlich, die eine Ausbildung einer zweiten Verglasungsebene aus Schallschutzgründen notwendig machen würden.

Dennoch sind wir der Ansicht, daß gewisse Lärmeinwirkungen aus dem weiter bestehenden Gewerbegebiet sowie der Erschließungsstraße vorhanden sind, die ein Angebot für eine optionale Schallschutzverglasung rechtfertigt. Die Westfassaden des Baugebietes WA 7.2 sind deshalb mit einer „weichen“ Schallschutzfassade versehen, die ähnlich einer Wintergartenverglasung von den Bewohnern einfach zu öffnen ist, einen Mindestschallschutz gewährleistet, aber in erster Linie eine willkommene Erweiterung des Wohnraumes in einen großzügigen vorgelagerten Wintergartenbereich ermöglicht. Die Verglasung ist in einen oberen beweglichen und einen unteren feststehenden Bereich unterteilt. Im oberhalb von der feststehenden Brüstungsverglasung beweglichen Bereich kann die Verglasung durch Schiebe- Drehflügel komplett geöffnet werden. In den Sommermonaten entsteht so ein komplett öffenbarer zusätzlicher Freibereich; in den Wintermonaten kann dieser Bereich ebenfalls als Erweiterung des Wohnraums durch einen geschlossenen Wintergarten genutzt werden, was eine erhebliche Erhöhung des Wohnwertes durch diese temporäre Vergrößerung des Wohnraumes darstellt.

Auch bei dieser Variante kann die Wärmerückgewinnung, wie unter WA 7.1 beschrieben, vorgesehen werden und so ein erheblicher Teil an Wärmeenergie zurückgewonnen werden.

  

Fassadengestaltung

Ausgehend vom Anteil der Fassaden mit Schallschutzanforderung und der einheitlich vorgelagerten Balkon-Loggien-Zone, welche eine Trennung der Anordnung von Belichtungsöffnungen von den dahinter liegenden Wohnräumen ermöglicht, ist dem Gesamtentwurf ein Rastermaß zugrunde gelegt, welches eine wirtschaftliche wie ästhetisch ansprechende Gestaltung ermöglicht. Der modulare Aufbau der Wohnungsgrundrisse unterstützt dabei diesen Gedanken. Je nach Belichtungsanteil der jeweiligen Wohnung werden ihr ein, zwei oder drei Fassadenachsen zugeordnet. Als Ergebnis erscheint eine auf proportionierten Einzelelementen aufgebaute funktionale Fassade. In die modularen Öffnungen können wahlweise Schallschutzelemente eingesetzt werden oder nicht. Sofern Fassaden keinen Schallschutz benötigen, bleibt auf den Hauptbesonnungsseiten die primäre gestalterische Grundidee der Rasterung beibehalten. Die Wohnungen erhalten somit großzügige Balkon-Loggien.

Dort, wo die Besonnung keine durchgängige Balkon-Loggien-Lösung verlangt, sind die Fassaden als Lochfassaden mit bodentiefen Fensterelementen ausgebildet, die durch die durchgesteckten Balkone der Nebenbelichtungszonen der Küchen vertikal gegliedert werden. In der Summe stellt sich ein ausgewogenes Bild an vertikalen und horizontalen Gestaltungselementen ein.

Gestalterisches Grundelement der nicht gerasterten Fassaden ist zudem die Ausbildung von horizontal durchlaufenden Geschoßdeckenbetonungen, welche in angenehm-hellem Kontrast zu den geschoßhohen Fassadenpaneel-Verkleidungen der geschlossenen Loch-Fassaden stehen. Als Material sind Recycling-Holzwerkstoffe in vertikaler Ausrichtung vorgesehen, die in Holz-Farbtönen den Gebäuden einen wohnlichen Charakter verleihen.

Zu den Innenseiten der Wohnhöfe sind die Fassaden weitgehend geöffnet um eine Interaktion zur Wohngemeinschaft des Hofes zu ermöglichen. Die Geschoßdecken sind als durchlaufende Balkon-Loggien-Zonen - gleichsam wie Gangways – zu den Höfen hin offen. Durch horizontale Versätze der klimatischen Trennung in den Fassaden werden unterschiedliche Tiefen von Balkon-Loggien erzeugt und somit vor Einblick geschützte Bereiche erzeugt. Die Bewohner können sich zum einen hinter einen Vorsprung zurückziehen oder an der Vorderkante der Geschoßdecken die Höfe überblicken. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die Spielflächen in den Höfen wichtig.

 

Fassadenbegrünung

Zur klimatischen Verbesserung des gesamten Wohnumfeldes sind auf den Freisitzen, Terrassen, Balkonen und Loggien an allen Fassaden Begrünungsmöglichkeiten durch Balkon-Pflanzelemente vorgesehen. Die Positionierung der Pflanzelemente folgt einer regelmäßig versetzten Anordnung, um nicht monoton zu wirken. Je Wohnung ist mindestens eine Pflanzmöglichkeit vorgesehen, sofern zwei oder drei Fassadenteilungen je Wohnung vorhanden sind, wechseln sich Pflanzelemente mit bodentiefen Verglasungen ab. Somit entstehen auf den Balkon-Loggien Zonen unterschiedlicher Aufenthaltsqualität: hinter den Pflanzelementen sitzt man geschützt vor Einblicken und hat doch über das Pflanzelement hinweg die Möglichkeit, nach außen zu sehen. Dies schafft willkommene Rückzugsmöglichkeiten.

  

Grundrissgestaltung von Wohnungen

Die städtebaulich geschlossenen Blockstrukturen bieten zum einen gute schallgeschützte Innenhöfe, zum anderen stellen sich durch die in diesen beiden Baufeldern verhältnismäßig geringeren Abmessungen der sich gegenüberliegenden Fassaden insbesondere durch die höheren, südlich vorgelagerten Gebäuderiegel deutliche Verschattungen an den innenliegenden westlichen und östlichen Hoffassaden ein.

Der Entwurf reagiert darauf, indem alle Regelgrundrisse ab der Größe einer Drei-Zimmer-Wohnung als durchgesteckte Grundrisse ausgebildet sind.

Zentrales Element der durchgesteckten Grundrisse ist die Wohnraum-Küchen-Anordnung als ein gemeinsames, in voller Gebäudetiefe durchgängiges Raumgefüge, welches aus beiden Fassadenanschlüssen eine zweiseitige Belichtung ermöglicht. Sowohl die Ausrichtung des Haupt-Wohnraumes wie der stets zweizeilige Küchenbereich sind an einen vorgelagerten Balkon oder eine Balkonterrasse angebunden. Durch die von zwei Seiten öffenbare Wohnsituation wird ein Höchstmaß an Wohnqualität hinsichtlich Belüftung und Besonnung gewährleistet. Die übrigen Wohnräume werden an der Basiseinheit dieser durchgesteckten Wohnraum-Küchen-Einheit in modularer Weise angegliedert, so daß alle Wohnungsgrößen in dieser beidseitig durchgesteckten Bauweise möglich sind.

Der Vorteil dieser modularen Entwurfsidee zeigt sich insbesondere an den östlichen Gebäudeteilen, die durch die südlich vorgelagerten Gebäudeteile in den Innenecken stark verschattet werden. An diesen Stellen wird die zentrale Einheit des Wohnraum-Küchenmoduls in seiner Ost-West-Ausrichtung gedreht, so daß die Hauptbelichtungsseite des Wohnraums nach der besser besonnten Ostseite und die zweite Belichtungsseite an der Küche zum Innenhof hin zeigen. Da beide Seiten über Balkonsaustritte verfügen, ist so auch in diesen schwierigen Inneneckbereichen ein Höchstmaß an Besonnung und Belichtung gewährleistet.

Die Wohnungen sind deshalb im gesamten Baugebiet durchgängig auf die jeweilig besseren Besonnungsseite hin ausgerichtet. Gleiches gilt auch für die Schalleinwirkung: der Hauptwohnraum kann ebenfalls von der Schalleinwirkungsseite abgewandt zur ruhigen Innenhofseite zugewandt werden, die Möglichkeit einer Anbindung an einen Freisitz zur besseren Besonnung bleibt durch die durchgesteckten Freisitze dennoch erhalten.

Durch die Anordnung der modularen Addition der dienenden Räume kommen die Bäder stets an den Außenwänden zu liegen und sind in allen Drei- bis Vierzimmerwohnungen durch bodentiefe Terrassentüren natürlich belichtet und belüftet.

 

Erschließung

Die Adressbildung wird konsequent über Zugänge an den Außenfassaden gebildet – ausnahmslos alle Erschließungskerne werden so eindeutig aus dem öffentlichen Raum heraus definiert. Die durchgesteckten Gebäudeerschließungen und Wohnungsgrundrisse vermitteln zwischen Öffentlich und Privat. Über die Durchwegungen des Innenhofs aus dem öffentlichen Bereich sind die zueinander orientierten Privatgärten und gemeinschaftlich genutzten Spiel- und Freiflächen miteinander vernetzt.

Die Erschließung der Gebäude erfolgt grundsätzlich barrierefrei mit Aufzügen. Den Hauszugängen sind jeweils Abstellmöglichkeiten für Kinderwägen und Fahrradabstellräumen zugewiesen, um die Akzeptanz zur Nutzung von Fahrrädern zu erhöhen und nicht durch zu weit entfernte Abstellorte zu erschweren. Weiterhin sind jedem Hauszugang Paketpostkästen zugeordnet, um praxisgerechte Anlieferungen zu ermöglichen.

Zur Stärkung der sozialen Bindungen unter den Bewohnern befinden sich weiterhin Gemeinschaftsräume oder gemeinschaftlich genutzte Einrichtungen wie Fahrradreparaturräume nahe den Erschließungskernen. Ihre Positionierung nahe den Durchgängen zu den Höfen fördert die Kommunikation unter den Bewohnern.